Oktoberfest - ein Fest der Landeshauptstadt München

Von „O'zapft is!“ bis Kehraus: So schön war das Oktoberfest 2019

Das Wiesn-Gefühl: Fotos, Videos, Erinnerungen

Selbst wenn wir vor zwei Jahren gewusst hätten, dass es keine Wiesn 2020 und 2021 geben würde – schöner hätte das Oktoberfest 2019 nicht sein können. Unsere Autorin Anette Göttlicher ist ein echtes Münchner Wiesn-Kindl und erinnert sich an 16 freudige, lange, lustige und emotionale Tage: mit Wehmut, ganz viel Oktoberfest-Liebe und der Hoffnung auf ein Wiedersehen bei der Wiesn 2022! Plus: die schönsten Fotos und Videos aus 2019.

Der Einzug der Wiesnwirte: Prächtige Rösser und Prominenz

2019 ging's schon früh los. In den Morgenstunden des 21. September, am ersten Wiesnsamstag, trafen sich wie jedes Jahr die prächtig geschmückten Pferdegespanne der Münchner Brauereien und der Wiesnzelte in der Nähe des Sendlinger Tors. Wetter? Besser ging's nicht. Stimmung? Positiv angespannt, ein bisserl nervös, aufgeregt, vorfreudig – nach zweieinhalb Monaten Aufbau war's nun tatsächlich endlich soweit! Packma's!

Das Schöne an diesem Auftakt: Es ist keine geschlossene Veranstaltung. Jeder kann vorbeischauen, die Kaltblutpferde lassen sich genauso wenig aus der Ruhe bringen wie der Oberbürgermeister, die Wiesnwirte oder das Münchner Kindl, es ist eben ein Volksfest im Wortsinn. Und da passiert's dann eben auch mal, dass dem Senior-Chef des Hofbräufestzelts die der Frische des Morgens geschuldete Gänsehaut an meinem Dirndl-beblusten Arm auffällt und er mir seinen Mantel anbietet: „Mei, Madl, du derfrierst ja!“ Mehr Wiesn geht nicht, schon drei Stunden vor dem Anstich.

O'zapft is! The tapping with Mayor Reiter in 2019 • Foto: Michael Nagy/Presseamt München

„O'zapft is!“ Der Anstich am 21. September 2019 im Schottenhamel

Ja klar, der Anstich, das Anzapfen. Wie viele Schläge braucht er? Er, das ist natürlich der amtierende Oberbürgermeister. Wird er auch „Auf eine friedliche Wiesn!“ nicht vergessen? (soll, das ist länger her, schon mal vorgekommen sein.)

Bei aller Wiesnliebe – beim Anstich war ich noch nie live dabei, zumindest nicht im Schottenhamelzelt. Trotzdem hat diese Zeremonie etwas Feierliches, Magisches. Gefühlt schaut die ganze Welt in diesem Moment, um Punkt 12 Uhr am vorletzten Septembersamstag, ins Schottenhamelzelt. Auch die, die nicht wissen, dass man den Hamel in diesem Fall mit einem „m“ schreibt. Basst scho. So einfach und bodenständig das Ritual ist, so routiniert Dieter Reiter stets nur wenige Schläge benötigt, so schnell's vorbei ist – der Moment ist was ganze Besonderes: Jetzt geht's wieder los. Nie ist die vor einem liegende Wiesnzeit länger, als wenn der OB den Zapfhammer hebt und „Auf eine friedliche Wiesn!“ ruft.

Wer ganz genau wissen will, wie's 2019 war: Hier lang

Der Trachten- und Schützenzug am ersten Wiesnsonntag

9000 Teilnehmer. Sieben Kilometer. Das sind die Fakten zum Trachten- und Schützenzug, der immer am ersten Sonntag stattfindet. Aber nicht nur seine Dimensionen sind einzigartig, auch die Vielfalt der originalen Trachten und der Gruppen, die mitmachen, ist es. Als Kind schaute ich mir das Spektakel im Fernsehen an, als junge Erwachsene habe ich den Zug ein paar Jahre lang ignoriert, aber heute gehört er unbedingt dazu zum Auftaktwochenende. Vor allem, wenn das Wetter so schön ist wie am 22. September 2019. Aber seht selbst!

Der Trachten- und Schützenzug 2019

1000 Kinder bummeln über die Wiesn

Dienstag, 24. September 2019: Der erste Kindertag auf dem Oktoberfest. Es wuselte auf den Stufen der Bavaria, als 1000 Münchner Vorschulkinder aufgeregt und ungeduldig warteten, bis endlich alle ihr Foto gemacht hatten und es losging, Karussell fahren und dann in den kleinen Zelten einkehren, auf Einladung der Schausteller und Wirte. Ein Bild, so schön – und in 2021 so weit weg.

Hier könnt Ihr alles über den Kindertag 2019 nochmal nachlesen.

Bildergalerie: Die schönsten Fotos von der Wiesn 2019

Der Gottesdienst im Marstall-Festzelt

Ein Bierzelt als Kirche, „Lobet den Herren“ statt „Atemlos durch die Nacht“ – klingt komisch, gibt's aber. Jedes Jahr findet auf der Wiesn ein großer Gottesdienst statt. 2019 war ich zum ersten Mal dabei. Diese leisen und nachdenklichen Töne und Worte stehen der Wiesn erstaunlich gut, und die Bühne, auf der sonst die Kapelle spielt, gibt eine ordentliche Kanzel ab. Am Ende wurden sogar ein paar Kinder getauft, Wiesn-Kinder von Wirten und Schaustellern. Und dann wurde es doch noch mal laut im Marstall-Zelt: Bei der Bayernhymne, vorgetragen von der großen Stadtkapelle Warendorf. Da war sie wieder, die Gänsehaut.

Wer 2019 predigte und wer getauft wurde, lest Ihr hier.

Das Standkonzert auf den Stufen der Bavaria

Vor 20 Jahren war das Standkonzert am mittleren Sonntag für mich gar nicht so positiv besetzt: Schad, schon wieder mehr als die Hälfte rum. Doch dann kam ich mal vorbei, als es gerade losging, eines sonnigen Wiesntags, alleine und zu früh dran für mein Treffen mit Freunden. Zu dem ich dann zu spät kam, weil ich die Zeit vergessen hatte. Seitdem geh ich immer hin.

Auch 2019: Ein prachtvoller, sonniger Tag, der Himmel blau, die Blasinstrumente blitzten in der Sonne. Da sah ich ihn wieder, den Senior-Wiesnwirt, der mir am Morgen des Anstichtags seinen Mantel angeboten hatte: Heute taktstockschwingend, und da kam die Gänsehaut nicht von der Kälte.

Das Platzkonzert 2019 unter der Bavaria

Perfect? Oder doch wieder Cordula Grün? Über den Wiesn-Hit 2019

Die Sache mit dem Wiesn-Hit ist ja so ein Mysterium, jedes Jahr: Je mehr man den EINEN haben will, desto weniger kristallisiert er sich heraus.

Klar gibt's Zutaten, die die Chance auf den Oktoberfest-Ohrwurm erhöhen – einprägsamer Refrain, gut mitzusingen, gerne auf Deutsch, und wenn man dabei noch jemanden in Flirtabsicht ansingen kann, schadet's auch nicht. Trotzdem: Planen lässt sich das nicht. Skistar Felix Neureuther hat's 2019 versucht, und sein „Weiterziehn“ kam gut an, mehr aber auch nicht. Stattdessen schaffte es einer in die Bierzelte und auf die Notenblätter der Kapellen, der's wohl eher nicht drauf angelegt hatte. Tatsächlich machte sich Ed Sheerans „Perfect“ ganz gut im Schottenhamel oder der Bräurosl, und Tausende sangen selig: „Baby, I'm dancing in the dark, with you between my arms ...“ Ansonsten die üblichen Verdächtigen: Bella Ciao, Hulapalu, Sweet Caroline, und das Rennen machte dann der Titelverteidiger: Joshs „Cordula Grün“. Immer wieder schön.

Die Suche nach dem Wiesnhit 2019

Ehrliche Finder, der abwesende Mega-Promi und zwei Liebesgeschichten

Es ist nicht überliefert, wie viele Paare auf der Wiesn 2019 zusammengefunden haben – und wie viele dieses Jahr gerne ebenda ihr Einjähriges gefeiert hätten.

Überliefert ist jedoch die Geschichte der ehrlichen Finderin, die in einem Schließfach am Hauptbahnhof eine pralle Geldbörse mit fast 4000 Euro fand – sie gehörte einem Wiesnkellner. Die ganze mysteriöse Story könnt Ihr hier nachlesen.

Dann war da dieser hochkarätige Promi, der allen anderen – Thomas Gottschalk, Arnold Schwarzenegger, Tim Cook – 2019 die Show stahl: Barack Obama. Fun fact: Im Gegensatz zu den Erstgenannten war er gar nicht da.

Und natürlich die Liebesgeschichten, von denen sich jeden Tag Hunderte auf der Wiesn ereignen, deren Halbwertszeit oft aber auch der eines kleinen Rauschs nicht unähnlich sein mag. Zwei sind mir aus 2019 in Erinnerung geblieben: Der Österreicher, der sich so heftig in eine Sanitäterin verliebte, dass er ihr noch im Container einen Heiratsantrag machte. Und der Engländer mit dem Schnitt im Knie, der während der Behandlung aufsprang und filmreif zum Flughafen eilte, um dort die Australierin noch zu erwischen, die ihm eine Liebesbotschaft zukommen hatte lassen.

Der Wiesn-Kehraus: Traurig und schön

Der Münchner hat ja neben dem Granteln auch eine ganz eigene Art der Melancholie. Und die Münchnerin natürlich auch. So gerne wir feiern, vor allem auf der Wiesn, so sehr lieben wir auch den Abschied von ihr. Zum Glück wussten wir am 6. Oktober 2019 noch nicht, dass es einer für drei Jahre sein sollte.

Bittersüß war der Kehraus trotzdem. An diesem letzten Abend im Hofbräufestzelt, eine Stunde vor Schankschluss, mit Tausenden von Wunderkerzen und den sichtlich gerührten Wiesnwirten auf der Musikbühne. Die Wiesn-Bedienungen auf den Tischen, nachdem sie den Gästen die letzte Maß gebracht hatten. Nicht nur bei ihnen: Eine Mischung aus Dankbarkeit, Müdigkeit und Wehmut, weil die 16 Tage dann doch immer so schnell vergehen, wenn man mittendrin ist in diesem ganz besonderen Universum, das sich Wiesn nennt. Weil man sich gar nicht vorstellen kann, was man am nächsten Tag macht, wenn sie aus ist: Die Wiesn 2019.

Ein letztes Mal anstoßen, ein letztes Mal „Angels“, ein letztes Mal dreht sich der Aloisius im Zelthimmel über dem Geschehen. Und dann ist's soweit: Aus is und gar is und schad' is, dass' wahr is.

In welchem Zelt der Oberbürgermeister war, was der Wiesnchef sang und wo's am traurigsten war, könnt Ihr hier nachlesen.

Was bleibt? Vorfreude und Wiesn-Liebe

Koa Wiesn 2020 – das tat weh, das war hart. Und dann auch 2021: Kein Oktoberfest. Ja, hier geht es um Existenzen, aber auch die, die „nur“ gerne auf der Theresienwiese zusammensitzen, drüberschlendern, die bunten Lichter anschauen, Riesenrad fahren und in den Zelten feiern, dürfen traurig sein. Vermissen. Weil die Wiesn eben keine Veranstaltung ist, kein Ort und kein Termin im Kalender, sondern ein Gefühl. Und weil drei Jahre verdammt lang sind.

Bei aller Professionalität, mit der dieses Fest (fast) jedes Jahr organisiert wird, trotz der vielen Millionen Menschen, die es besuchen: Was wir vermissen, ist genau dieses Gefühl, das jeder kennt, der die Wiesn liebt. Es sind die großen und die kleinen Momente.

Der prächtige orange und rosa gefärbte Abendhimmel, vor dem sich die Silhouette der Bavaria abzeichnet. Die erste Tüte Mandeln am ersten Wiesntag. Der Moment, in dem man ein Bierzelt betritt und diesen besonderen Duft einatmet, das Scheppern der Krüge hört, das Summen der Tausenden von Unterhaltungen, das Lachen, die Musik. Der gut gelaunte U-Bahn-Sprecher am Bahnsteig, der für den sicheren Heimweg der Besucher sorgt, ohne dass sie es merken. Die lederbehosten Jungs aus Florida, denen man im Biergarten erklärt, warum Maßkrüge Augen haben, was ein Noagerl ist und warum man es nicht trinkt. Der Regenguss am Abend, nach dem sich das Riesenrad auf dem frisch gewaschenen Asphalt spiegelt. Die Steinkrüge auf der Oidn Wiesn. Der Teufelsrad-Wiggerl, sein unverwechselbarer Schnurrbart und seine Sprüche: „Da konnst di scho no einibazn, oder bist schüchtern?“ Und die Gänsehaut, wenn ganz am Schluss die Bayernhymne erklingt.

Was bleibt, ist die Vorfreude auf 2022 und die (hoffentlich) nächste Wiesn. Ich bin sicher, sie wird schön, selbst wenn sich ein paar Dinge ändern – denn das Lebensgefühl, das bleibt. Und die Liebe auch.

Text: Anette Göttlicher